Interkulturelle Kooperation in Theorie und Praxis

Mit zunehmender Internationalisierung werden immer öfter Trainings angeboten, die über Sitten und Gebräuche anderer Länder informieren, damit der Geschäftsabschluss mit den Chinesen und den Arabern nicht an einem Detail scheitert.

Unser Seminar sollte vielmehr die Akzeptanz des Fremden bzw. Ungewohnten bewusst machen. Dazu diente ein Kartenspiel mit simpelsten Regeln, über die jedoch weder gesprochen noch geschrieben werden durfte:

Ziel des Spiels war es möglichst viele Stiche zu machen, jeder bekam 5 Karten, im Uhrzeigersinn wurde je eine Karte gespielt, die höchste gewann und Herz stach immer.
Nach 2 Runden beherrschte wirklich jeder die Regeln und konnte sogar etwas Strategie entwickeln. Nach 4 Runden wurde es langweilig und nach 5 Runden musst die mit den meisten gewonnen Spielrunden zum nächsten Spieltisch wechseln.

Dort war der Spieler erst einmal verwirrt, dass nun in die andere Richtung gespielt wird und fühlte sich vielleicht auch betrogen, wenn nun auf einmal Buben immer stachen und das Ass die niedrigste Karte war.
Die einfachste Möglichkeit der Aufklärung blieb uns verwehrt, da wir ja weder sprechen noch schreiben durften.

Lautstarke Konflikte bleiben zwar aus, weil jeder bei einer Seminarübung auf so etwas gefasst ist, aber diese Übung zeigte sehr gut, wie selbstverständlich wir unsere Regeln als Norm ansehen und wir dies auch von anderen erwarten.

Ich denke, es wurde damit jedem klar, dass eben nicht überall dieselben Regeln herrschen müssen und ein Miteinander dennoch funktioniert.

Mit diesem Lernerfolg war eine Diskussion über Kopftücher in Deutschland möglich. Vorbei war es mit dem Verständnis für andere Regeln aber, als eine Teilnehmerin von ihrem Urlaub in Asien berichtete. Sie sonnte sich im Bikini am Hotelpool. Dann bemerkte sie, dass ihr von der Terrasse einige Männer zuschauten und Fotos machten. Sie fühlte sich dadurch belästigt. „Sowas macht man einfach nicht!“ und „Es ist doch wohl klar, dass in einem Hotel westliche Regeln gelten.“ Aha.
Auf die Idee durch ihre Freizügigkeit vielleicht Einheimische zu belästigen, kam sie nicht, weil in einem Touristenhotel ja irgendwie ‚internationale‘ Regeln gelten müssten.

Das zeigt wieder einmal, dass der Unterschied zwischen Theorie und Praxis in der Praxis viel größer ist als in der Theorie.

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